Kino, Theater, Kabarett – ein Kulturtagebuch

Foto: Manos Gkikas/unsplash

Es ist Anfang März in Wien – die Tage sind noch kurz, die Nächte lang. Beide sind noch oft verregnet und kühl. Es ist also die beste Zeit, um von Kino zu Theater zu Kabarett zu strawanzen und sich die Laune aufzuhellen. etc.-Autorin Claudine hat ein paar Empfehlungen.


Kino: Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen

An einem stürmischen Freitag-Abend bin ich auf dem Weg ins Admiral Kino. Bereits über 100 Jahre ist dieses Lichtspieltheater schon alt und auch wenn es immer wieder renoviert wurde, so hat es mit dem Terrazzo-Boden im Foyer, dem knarrende Parkett im Kino-Saal und der klassischen Ausstattung heute noch seinen Retro-Flair behalten.

Fünf Sterne gibt es für den ultimativen Wohlfühlfaktor im Kino. Denn beim Eingang liegen Decken bereit – genau das Richtige für Frostbeulen wie mich. Dieser Service macht meinen Besuch zu einem der gemütlichsten Kino-Abende, die ich je erlebt habe. Doch das ist nicht das einzige Special, das das Admiral Kino zu bieten hat. Es kommt noch besser: Es gibt einen Doggy-Day! Jeden ersten Donnerstag im Monat sind also auch Hunde herzlich willkommen.

Foto: Website Admiral Kino

Aber jetzt zum Film. Heute spielt es „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen.“ Der Dokumentarfilm ist ein bewegendes Portrait einer der polarisierendsten Frauen Österreichs – der Schriftstellerin und Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Die Regisseurin Claudia Müller schafft Raum für die Auseinandersetzung mit Jelinek als Autorin, Künstlerin, Feministin und vor allem als Sprachvirtuosin.

Jelineks Biografie sowie ihre Kunst sind untrennbar verwoben mit der Geschichte, Politik und Gesellschaft Österreichs. So ist der Film auch ein zeithistorisches Portrait. Ein vielseitiger, gesellschaftskritischer und sehenswerter Film über einen bemerkenswerten Menschen.

Trailer „Elfriede Jelinek – Die Sprache von der Leine lassen“

Theater: Der Zauberberg

Immer, wenn ich dieses Gebäude betrete, die Stiegen zu den oberen Rängen emporsteige und sich schließlich der Zuschauer:innenraum des Burgtheaters vor mir präsentiert, schlägt mein Kulturherz schneller. Ich liebe das Gewusel vor Vorstellungsbeginn, das dominante Samtrot und die Vorfreude auf Schauspiel, Anregung, Genuss, Unterhaltung und Gedankenspielereien.

Foto: Claudine Bersi

Doch der magischste Theater-Moment kommt erst: Es ist der Augenblick, in dem der Vorhang aufgeht und die Bühne erhellt wird. Das Bühnenbild ist beeindruckend. Vor mir ragt ein zackiger, illuminierter Berg, an dem vier Schauspieler:innen emporklettern. Er stellt den Zauberberg, aus dem gleichnamigen Roman des deutschen Schriftstellers Thomas Mann, dar und steht für einen Berg in den Schweizer Alpen.

Hier besucht Hans Castorp, der gerade mit seinem Studium fertig geworden ist, seinen Cousin in einem Sanatorium. Dieser Ort und die verschiedensten Persönlichkeiten, die er dort trifft, haben eine faszinierende Wirkung auf Castorp. Der junge Mann taucht ein in eine Welt, die ganz weit weg zu sein scheint, von dem Leben im Tal. Die Zeit verschwimmt. So werden aus ein paar Wochen Jahre, in denen sich Castorp verliert, sucht und mit den großen Fragen des Lebens auseinandersetzt – mit Krankheit, Tod, Politik, Liebe, Zeit und Sinn.

Das Stück entführt mich in eine philosophische Welt zwischen Realität und Fiktion, zwischen Innenschau und Außenleben. Die vier Akteur:innen bieten schauspielerische Höchstleistung – denn sie verkörpern mehrere Charaktere, die parallel auf die Gipfelspitzen projiziert werden. Der tobende Applaus am Ende ist well-deserved.

Trailer „Der Zauberberg“

Kabarett: Toxische Pommes – Ketchup, Mayo und Ajvar

Genau so comforting wie fettige Pommes mit Ketchup, Mayo und Ajvar im Schwimmbad oder nach dem Fortgehen, ist für mich das Kabarett-Programm von Toxische Pommes im Stadtsaal. Ihre Darbietung ist eine kritische und reflektiere Auseinandersetzung mit Identität, Zugehörigkeit, Mentalität, Gesellschaft, Gedankenkarusseln und Gefühlsachterbahnen, die mich als Mensch mit Migrationshintergrund in Österreich mitten ins Herz trifft.

Kurzweilig und wahnsinnig unterhaltsam schildert Toxische Pommes ihr Leben als „Ausländerkind“ – ihre Eindrücke, Erlebnisse und ihre Innenwelt. Ich kann zu 100 Prozent relaten. Doch es ist hoffentlich auch food for thought dabei für alle, für die diese Themen vielleicht neu sind.

Foto: Claudine Bersi

Liebe Toxische Pommes, falls du das hier liest: Big Shoutout to you und ein großes Danke dafür, dass du mich zum Lachen gebracht hast und so ehrlich und offen deine Gedanken und Erfahrungen teilst. Ich habe großen Respekt dafür und finde es eine unfassbar gelungene künstlerische Leistung, wie du es schaffst, zu entertainen und dabei gleichzeitig so treffend tiefe Botschaften rüberbringst. Bitte beglücke uns weiterhin mit deinen Satirevideos und mit noch mehr Bühnenprogrammen.

Wirklich von Herzen eine große Empfehlung für alle, die zwischen Makava und Spritzern mitten im Siebten über die klassizistische, rassistische und sexistische österreichische Gesellschaft lachen und ein bisschen was über Ausländerkinder lernen wollen. Ich hoffe die Satire schwingt ein wenig mit, auch wenn sie nicht mal ansatzweise an das hohe Niveau von Toxische Pommes rankommt.

Toxische Pommes auf TikTok

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