
Abtauchen und Blau machen – wollen wir das nicht alle immer wieder? Den Kopf frei bekommen, Tagträumen, in den Himmel und ins Wasser schauen. „Zum Luftholen musst du abtauchen“, schreibt die Autorin Angelika Stallhofer in ihrem Gedicht „Paradoxon“. Luftholen und am/vom Wasser träumen – in Wien gibt’s viele gute Orte dafür!
Von Wassermännern und Meerjungfrauen
Die 2009 von Julie Hayward gestaltete Passage zum Donaukanal lädt zum Abtauchen ein. Zugegeben, die türkis-blauen Wände sind mittlerweile beinahe komplett übermalt, überschrieben, bekritzelt und beklebt, über einer Art Aquarium die gesprayten Worte „Mehr Wildnis“.

„Mehr Wildnis“ ist bei den dermaßen gezähmten Gewässern, Fischen, Wassermännern und Seejungfrauen ein dringender Wunsch!
Die Wassermänner sind auf Steinreliefs verbannt (1120 Wien, Rauchgasse 15-17, Eichenstraße 50) und erinnern an die ehemaligen Ziegelteiche in Wilhelmsdorf, heute Meidling. Die Meerjungfrau im Herderpark (1110 Wien) von Franz Sautner folgt keinen Prinzen und Versprechen, wartet darauf, sich mit Flossenflügelfüßen auf und davon zu machen. Ich sitze gerne dort in der Herbstsonne, zum Beispiel mit dem entsprechenden Märchen von Hans Christian Andersen.
Fischbegegnungen
Viele Fische tummeln sich farbenfroh auf unzähligen Mosaiken, oft an Gemeindebauten aus den 1950er Jahren, verstreut in ganz Wien, oder als in Auftrag gegebenes Streetart-Wandgemälde (auch ein Paradoxon) am Fischmuseum.

An die wassereiche Wildnis der Donauarme erinnern die Fischgeschichten im Museum Nordwestbahnhof (Nordwestbahnstraße 16, geöffnet Donnerstag 15-19 Uhr). Der aufgelassene Bahnhof liegt über einem ehemaligen Seitenarm der Donau. Mit den zufließenden Bächen war dort ein idealer Lebensraum und Laichgebiet für Fische, die mit der Regulierung und Trockenlegung im 19. Jahrhundert verschwanden. Nordseefische wurden mit der Nord-West-Bahn in die Fischfabriken nach Wien gebracht, das Fischstäbchen lässt grüßen.
Im Kiosk beim Eingang findet sich ein riesiges fischartiges Wesen, aus allen möglichen Dingen zusammen- und zur Schau gestellt.
Auf den stillgelegten Bahngleisen eine Installation aus hundert weißen, abstrahierten Fischen, in den Boden gesteckt, mit dem Kopf nach unten, wie auf der Suche nach Wasser und Wildnis. Fischschwarm oder Fischfriedhof?

Wer allerdings etwas für lebende Fische tun will, ist beim Life Sterlet Projekt, eine Initiative, die Störe in der Donau zu stärken, richtig. Warum nicht Fischpatin werden?
Ab ins Meer
An der Wienzeile hängt die Sehnsucht hoch, ein Spruchband auf einem Balkon: MIR FEHLT DAS MEER. Ja, wem nicht. Da ist die Wientalterrasse (1050 Wien, Rechte Wienzeile 117) nur ein matter Ersatz, trotzdem hat es etwas, dort in der Abendsonne mit einem mitgebrachten Getränk zu sitzen. In die Wien, die manchmal nur ein Rinnsal ist, schauen und an den Künstler Hans Schabus denken, der 2002 mit einem selbstgebauten, zusammenklappbaren Segelboot eine Fahrt durch Wiener Abwasserkanäle und den unterirdischen Wienfluss unternommen hat, zum Ohrwurm von Anton Karas aus „Der dritte Mann“.

Die unterirdischen Wienerwaldbäche sorgen für so manche Stadtlücken, Freiräume und Entdeckungen. Zwischen Häusern im 9. Bezirk führt leicht bergab ein Weg, benannt nach Bertha Löwi, die aus Angst vor Deportation 1941 Suizid beging.
Alte Bäume, einige Bänke, Hochbeete, Gebüsch. Der Himmel fällt in den Spalt zwischen den Häusern. Das Rauschen der Blätter wird in meinem Kopf zum Wasserrauschen des Währingerbaches, der unter mir in den Donaukanal, die Donau und das Schwarze Meer fließt.