Der Klang der Langeweile

AI generiertes Bild (Ausschnitt) mit dem Prompt „Bored man“ Copyright by DALL-E mini

Langeweile ist ein kulturelles Konstrukt unzähliger Facetten, dem viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Denn es ist nicht einfach gesagt wem, wann und warum langweilig ist. Wer sagt, was langweilig ist und was nicht? Ist Langeweile eine Tätigkeit oder ein Zustand? Und was ist eigentlich nicht langweilig?


Zunächst einmal müssen wir feststellen, dass der Wiener sich nicht „langweilt“, sondern sich „fadisiert“, und zwischen diesen beiden Worten liegen Welten! Wenn jemandem fad ist, ist immer auch ein Stück stiller Grant dabei. Und wenn einmal Fadheit im Spiel ist, dann kennt das Wienerische zwei (Spiel)Arten der Fadesse: Die selbst-, und fremdverschuldete, aktive und passive. Denn man kann „sich fadisieren“, man ist quasi sich selbst fad, oder man kann „fadisiert sein“, das bedeutet die Welt, oder zumindest die Wahrnehmung derer, ist für einen nicht gerade spannend. Wobei wir noch gar nicht die Subjektivität von Langeweile erwähnt haben, die ja natürlich auch eine Rolle spielt, wobei es hier auch Trends und historische Tendenzen gibt. Sprich, irgendwer fand immer irgendetwas, was wir toll und spannend finden, fad. Und vice versa natürlich auch. Was ich also hier erwähnen möchte, sind weitläufig als fad verschriene Dinge, die ich zu schätzen gelernt habe.

Des einen Fad, des anderen Gfreid

Mir war sehr lange nicht bewusst, dass Spazierengehen als langweilig empfunden wird. Ob das daran liegt, dass man es mit dem Älterwerden assoziiert oder aber, dass es in unserer Kosten-Nutzen-orientierten Gesellschaft keinen Platz dafür gibt, da gezielt langsames Fortbewegen ohne kommerzielles Interesse wohl als Zeitverschwendung gilt? Aber gerade in Wien gibt es so wunderbar viele Parks, die so viele kleine Geheimnisse in sich beherbergen, wie zum Beispiel die Statuen des abgebrannten Ringtheaters im Pötzleinsdorfer Schlosspark, die Reste der Wiener Internationalen Gartenschau 1964 im Donaupark, oder die Büsten von Leon Askin und Arthur Schnitzler im Türkenschanzpark, um nur ein paar Beispiele zu nennen, die Liste lässt sich natürlich beinahe endlos fortsetzen.

Gereimtes Leid ist halbes Leid

Im Gegensatz dazu war mir beinahe immer bewusst, dass Schreiben von vielen als fad bezeichnet wurde. Doch Gedichte schreiben war seit langem ein Zeitvertreib, der mir half, vieles zu verstehen, was mir so im Kopf herumgespukt hat. Auch wenn ich meine Gedichte heute größtenteils nicht mehr wirklich gelungen finde, ich habe mittlerweile aufgehört, Reime zu erzwingen, sind sie für mich doch wichtige Teile meiner Entwicklung als schreibender Mensch. Doch selbst als Schreibübung findet man Gedichte wohl uncool oder fad, womöglich liegt es am erzwungenem Goethe? Frontalunterricht hat leider viele Leidenschaften auf dem Gewissen. Aber vielleicht ist Schreiben auch fad? Sind meine Texte vielleicht fad? Bin ich vielleicht fad?

Es lebe die Fadesse

Vielleicht ist es ja auch von Grund auf ein totaler Holzweg, Dinge für nicht fad erklären zu wollen, nur weil sie für einen selber sehr interessant sind. Vielleicht müssen wir dem Prinzip Fadesse einen Imagewechsel verpassen, einen Paradigmenwechsel herbeiführen. Denn, fadisiert sein muss man sich auch leisten können! Die meiste Zeit stecken wir immerhin in die Erwerbsarbeit oder sind mit dieser und jener sozialen Verpflichtung beschäftigt, da bleibt einem kaum Zeit für Langeweile. Fadheit ist am Ende ein Luxusgut, das nur wenige genießen können. Also schreibt langweilige Texte, malt langweilige Bilder, geht in langweilige Ausstellungen und hört langweilige Musik. Stürzen wir uns in die Fadheit! Leben wir Fadheit!

P.S.: Ich denke übrigens, dass Langeweile wie ein langer Seufzer klingt.

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