
„Mann im Schatten“ aus dem Jahr 1961 ist durchzogen von Gegengensätzen und Subversionen. Wir sehen den Charme Wiens in Zeiten des Wirtschaftaufschwungs, aber auch die langen Schatten des Zweiten Weltkriegs haben hier ihren Platz. Nicht nur zwischen den Zeilen, sondern auch direkt in ihnen werden wir daran erinnert, dass die für uns „weit entfernte“ Vergangenheit hier noch sehr nahe ist.
Leger ist die Erzählerstimme, die uns in die Welt von „Mann im Schatten“ einführt. Statistiken zu Wien werden genannt, ein paar Bonmots über seine Bewohner und deren Verhältnis zu Uhrzeit, deren Wurschtigkeit wird angedeutet, das Sprichwort „Der Wiener verbindet österreichische Genauigkeit mit preußischem Charm“ kommt einem in den Sinn. Die Bilder sind auch nicht zu verachten. Das hektische Nachtleben von Wien zu Beginn der 60er, Tanzlokale, Bars, Lichter der Großstadt. Aber auch Verbrechen, zwielichtige Gestalten und marode Hinterzimmer sind Teil des Ganzen. Drehbuch wurde von Wolfgang Menge geschrieben und Regie führte Arthur Maria Rabenalt.
Der unerwartete Polizist
Dass ausgerechnet Helmut Qualtinger im Film einen Inspektor spielt, eine Person also, die immer dialektisch diametral der Institution Polizei gegenüberstand – man erinnere sich an „Was ist, wenn ich zu einem Trottel ‚Herr Inspektor‘ sage?“ – ist nicht das einzige subversive Element des Films. Ermordet wird nicht, wie gängig, ein reicher Industrieller, sondern eine reiche Geschäftsfrau, welcher eine Modefirma gehört. Allerdings gibt es auch einige Kommentare ob ihres Aussehens, die wieder einiges der vermeintlichen Progressivität relativieren, wenn diese Kommentare nicht auch als Darstellung von problematischen Verhaltensweisen von Männern gewertet werden sollen. Jedenfalls sind nonchalante Kommentare, die einem in diesem Film an vielen Stellen begegnen und nicht nur von Männern dem Publikum quasi „an den Kopf“ geworfen werden, eine Art Moment des Durchbruchs der Immersion, wirken sie doch fast laientheaterhaft, oder eben ganz ungeschönt aus dem Leben gegriffen.
Der braune Elefant im Raum
Wenn der Herr Inspektor folgende Worte an seinen Untergeben richtet: „Sie brauchen uns nicht daran zu erinnern, dass Sie bei der Wehrmacht gewesen sind“, so könnte man auf die Schnelle meinen, es wäre eine allgemeine Feststellung über die gesamtösterreichische Situation 1961, eine Erinnerung der österreichischen Mitschuld, und das mitten in der Zeit des österreichischen Opfermythos. Doch wenn man sich die anderen Arbeiten der an „Mann im Schatten“ beteiligten Filmschaffenden so ansieht, könnte man auch meinen, der Kommentar habe eine bestimmte Person zum Ziel. Hat doch der Regisseur Arthur Maria Rabenalt auch eine Reihe an Filmen zur NS-Zeit gemacht, die er natürlich als „unpolitisch“ betitelte, was natürlich nicht nur bei Kulturwissenschaftlern Augenbrauen hochgehen lässt. „Unpolitisch“ ist generell genauso ein Unwort, oder Un-Konzept wie „nicht ideologisch“. Ein Schein, ein Mythos. „Unpolitisch“ bedeutet immer „politisch, aber im Sinne der herrschenden Kräfte und daher unsichtbar“, wie eine Träne im Regen. Ein fader Beigeschmack macht sich hier also schon breit, zumindest aber eine gewisse seltsame Grundstimmung. Ist der Regisseur auch ein „Mann im Schatten“ oder ein Mann mit „Schatten-Seiten“?
Schatten und Männer
Obwohl der Name des Films von einem einzigen Mann im Schatten spricht, so sind es eigentlich dutzende Männer und auch dutzende Schatten. Facetten von Grau bis Nachtschwarz. Und so ein Krimi mit Mord braucht natürlich auch „in-der-Tat“: Tatzeitpunkte, Tathergänge, Tatwerkzeug Motive, Rätsel und kleinere Nebengeschichten. Das Wort „Nebengeschichte“ ist bei all den Beziehungsdreiecken im Film manchmal angedeutet, manchmal konkret, ja auch ein verbaler doppelter Boden, auch hier sind wieder Dinge in Schatten gehüllt.