
Vom Versuch, einen Aal zu fangen klingt, rein vom Titel her, wie ein nettes Buch. Ein nettes Buch, von Träumen und dem Wunsch nach einem besseren Leben, zumindest kann man so den Aal interpretieren. Janine Adomeit erzählt einem aber nicht, wo der Aal herkommt, für was er steht, oder wie man ihn finden kann. Stattdessen sind die Träume zerplatzt und man findet sich in einem verlorenen Gebiet wieder.
In der deutschen Literatur gibt es mittlerweile gefühlter Weise ein eigenes Genre über verlorene Gegenden. Den gesellschaftlichen Abstieg im ehemaligen Ostdeutschland, die leeren Kohlegebiete oder auch die Landflucht in Österreich. Immer sind es Dörfer, die früher besser, schöner und wohlhabender waren und Bewohner:innen, die früher Träume, Hoffnungen und Ziele hatten. Und jetzt ist nichts mehr davon übrig.
Villrath ist so ein Ort, allerdings nicht ganz echt. Das fiktive Dorf liegt im Rheinland, früher gab es eine Heilquelle und ein blühendes Kurzentrum, mittlerweile kommt die größte Aufregung aus dem naheliegenden Wald, der teilweise einer Bahntrasse weichen soll. Adomeit hat mehrere Hauptfiguren ausgesucht, die den Ort und seine Bewohner:innen illustrieren soll. Da gibt es den Pensionisten Kamps, der sich nach dem Krebstod seiner Frau hauptsächlich auf seine zugelaufenen Katzen und anderweitig nur auf die nächtliche Gefahr von Kupferdieben konzentriert. Vera hat kein genaues Alter, aber sie betreibt das Stübchen und damit eines der ehemaligen Herzen des Ortes. Früher, ganz früher ist sie bei einem Wettbewerb zur Villrather Nixe, also quasi der Weinkönigin von Villrath gewählt worden, jetzt bewirtet sie täglich nur die gleichen drei, vier Alkoholiker, deren Leben und Leidenschaft fürs Trinken sie teilt. Und ihren Sohn, Johannes, der in der neunten Klasse ist, also so ungefähr fünfzehn Jahre alt, vom Motorradführerschein träumt und davon, endlich einmal nicht mehr der Außenseiter zu sein. Soweit die Hauptrollen.
Viel Handlung, wenig Ereignisse
De facto passiert aber schon ein bisschen etwas. Villrath ist nämlich nur ein verlassener Kurort, weil die Heilquelle bei einem Erdbeben vor 17 Jahren verschüttet wurde. Doch mit einem neuen Beben kommt eine neue Quelle und so versucht das Dorf möglichst schnell an Geld zu kommen, um den Kurbetrieb neu zu starten und den Bahnbau an der neuen Quelle zu stoppen. In tageweisen Kapiteln erzählt Adomeit wie die Bewohner mit diesen Plänen mitarbeiten, selbst Hoffnung hineinsetzen und welche Pläne sie für sich selbst aus einem Aufschwung des Dorfes erträumen. Allerdings ist die (fiktive) Realität selten so verklärt, wie der romantische Plan davon und so sind viele Punkte davon eher von Verzweiflung getrieben als sonst was.
Teilweise sind es nachvollziehbare Pläne, die traurigen Hoffnungen eines sterbenden Dorfes, aber am Schluss kommt eben doch die Verzweiflung durch. So sympathisch die Charaktere auch sind, teilweise will man das Buch weglegen, weil sich so viel Verzweiflung nur schwer ertragen lässt. Dennoch geht man Großteils mit, gibt sich die Peinlichkeiten, die entstehen, wenn Kleinstadt-Bürgermeister im Radio angeben wollen, wenn Frauen Ende dreißig noch einmal in ihr Maskottchenrolle mit 17 schlüpfen. Auch der alte, einsame Mann und sein Wunsch nach Sicherheit und der Jugendliche, der nur Geltung und Zukunftsaussichten braucht, man mag Sie irgendwie. Trotzdem ist es aber schwer.
Die grobe Handlung von „Vom Versuch, einen Aal zu fangen“ ist eben einfach. Keine Quelle, sterbender Ort, neues Erdbeben, Quelle, was machen wir jetzt? Es geht zuerst alles sehr schnell, Leser:Innen besuchen das Camp im Wald, schauen in Kamps Kätzchenstube vorbei und verbringen die Abende im schummrigen Stübchen. Adomeits Kunst liegt eher in den Personen und der Möglichkeit, sie nachzuvollziehen, die Handlung selbst bietet aber nicht furchtbar viel Kreativität und viele der Szenen würden sich eben ähnlich in einem sterbenden Dorf in Ostdeutschland oder auch der nördlichen Steiermark versetzen lassen. Wer will, kann also gut Zeit totschlagen mit dem Buch und sich ein bisschen entführen lassen, das funktioniert schon gut. Wer aber fest gefesselt werden will und Bücher mag, weil sie eine Parallelwelt aufzeigen und trotz aller Depression Hoffnung geben können, ist hier falsch gelandet.