Die Hölle Moria

„Denk ich an Moria“ von Helge-Ulrike Hyams © Berenberg Verlag

Schreckliche Bilder fluteten das Fernsehen und die Social-Media-Kanäle. Unmenschliche Zustände, Hunger, Covid19 und dann noch ein riesiges Feuer – die Rede ist von Moria, dem Flüchtlingslager auf Lesbos. Die Bilder waren teilweise so schirch, dass ich sie schnell wegdrückte, sie haben schockiert und mich am Ende ohnmächtig zurückgelassen. Helge-Ulrike Hyams hat gegen die Ohnmacht gekämpft und ist als freiwillige Helferin für 10 Monate nach Moria gefahren, um das zu tun, was viele mehr machen sollten: Helfen. Über ihre Reise berichtet sie in dem Buch Denk ich an Moria, in dem sie in kurzen Anekdoten ihre Zeit dort beschreibt und verarbeitet.

Volunteer mit 78 Jahren 

Helge-Ulrike Hyams, eine deutsche Pädagogin mit langjähriger Erfahrung hat es sich nicht nehmen lassen, mit 78 Jahren zu diesem schaurigen Ort zu fahren, um sich selbst ein Bild zu machen. Dort unterstützt sie die NGO Happy Family, welche vor allem für die Verköstigung vieler Geflüchteten zuständig war. „Bei uns sollte vom Anspruch her eine Art heile Welt sein. Wir wollten, dass sie die Qual vom Camp hinter sich lassen“, schreibt die Autorin. Es war ein wunderbarer Ort, bis Covid19 auch die Insel Lesbos erreicht. 

In einzelnen Kapiteln, welche knackige Namen wie „Essen“, „Singles“ oder „Lidl“ tragen, beschreibt sie verschiedene Eindrücke, die lange im Gedächtnis bleiben. Schon nach ein paar Geschichten, merkt der/die Leser:in, dass dieses Buch nur ein sehr kleiner Ausschnitt aus der schrecklichen Welt, die sich dort auftut, ist. Es ist weniger ein objektiver Lokalaugenschein, sondern ein Bericht, wie Hyams ihre Zeit dort empfunden und erlebt hat. Sie beschreibt sonnige Stunden, wie das gemeinsame Häkeln oder das Kennenlernen der Einheimischen. Das tut die Autorin schon recht früh und stößt dabei auf viele Missverständnisse und Verwirrungen zwischen Einheimischen, Flüchtlingen und Freiwillige.

Helge-Ulrike Hyams bei einem Interview © Oberhessische Presse

Die eigene Welt der Freiwilligen

Einen tiefen Einblick gibt Hyams in ihre eigene Welt, die Welt der Freiwilligen. Sie beschreibt gelungen, wer hilft und warum. Rührend ist, dass ihre Enkelin ebenfalls eine Woche zur Unterstützung kommt und so die Zustände selbst erfährt. Hyams selbst schreibt, dass es für Freiwillige so schwer ist, ihren Mitmenschen zu Hause zu erklären was für Zustände in Moria Realität sind. Es ist unbegreiflich, und somit schwer zu transportieren. 

Die Autorin nimmt sich kein Blatt vor den Mund, ist ehrlich, direkt und stellt ihre eigenen Hypothesen auf. Die Tiefgründigkeit hinter ihren Worten sind kaum zu übersehen. Ich habe das Buch in zwei Tagen ausgelesen, es ist nicht dick und recht einfach geschrieben. Jedoch empfehle ich, sich etwas Zeit zu lassen. Jeden Tag ein bis zwei Kapitel zu lesen und anschließend darüber nachzudenken, es ein wenig sacken zu lassen. 

Es ist kein Aufdeckerbuch, bei dem der Atem stockt und einem sofort die Tränen in die Augen schießen. Im „Besser lesen mit dem Falter„-Podcast von Petra Hartlieb hat Helge-Ulrike Hyams gemeint, sie habe viele Passagen, in denen sie beschreibt, dass sie weinte, ja so viel weinte, herausgestrichen. So kommt das pure Moria mehr heraus und wird nicht emotionalisiert. 

Es ist ein Buch einer Autorin mit viel Lebenserfahrung und der Fähigkeit zum Reflektieren. Eine wunderbare Lektüre für ein junges Publikum, welches dadurch noch viel lernen kann. 

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