
und Stadtkino Filmverleih
Die Kinoleinwand wird hell. Ein schwarzer Hintergrund, davor sitzt Marko Feingold – der älteste Holocaust-Überlebende Österreichs – und sagt entschlossen: „Ich erzähle meine Geschichte jetzt schon über 70 Jahre und ich bin immer noch nicht fertig. Ich bin so lange nicht fertig, solange es Menschen gibt, die das, was mir passiert ist, leugnen.“
Mit dieser Entschlossenheit erzählte Marko Feingold bis ins hohe Alter, was ihm in der NS-Zeit widerfahren ist. Er überlebte vier Konzentrationslager. Immer wieder besuchte er, vor allem mit Jugendlichen, jene Orte, an denen er in seinem Leben am meisten gelitten hat, diskutierte stundenlang und beantwortete mit Offenheit alle Fragen, die ihm gestellt wurden. Unermüdlich erinnerte Marko Feingold an die Gräueltaten des NS-Regimes. Um aufzuklären und um zu verhindern, dass sie sich wiederholen. Sein Engagement und sein Kampf gegen den Faschismus und Antisemitismus sind beeindruckend und wirken auch heute noch weiter. Hoffentlich!
Kurz vor seinem Tod erzählte Marko Feingold seine Geschichte auch Christian Krönes, Florian Weigensamer, Christian Kermer, und Roland Schrotthofer, die daraus ein wertvolles geschichtliches Dokument erschaffen haben – den Film „Marko Feingold – Ein jüdisches Leben„. Der Film läuft derzeit in einem der schönsten Kinos Wiens, dem Stadtkino im Künstlerhaus. Wir waren bei der Premiere.
Ein Kino-Abend in Wien
Der Besuch im Stadtkino, unweit vom Karlsplatz, ist immer wieder ein Erlebnis vom Feinsten. Schon beim Betreten des Kinos werden die Sinne betört – vor allem der Geruchssinn von Käse-liebhaber:innen. Denn im Künstlerhaus befindet sich auch das Lokal „Ludwig und Adele“ und der köstliche Käse-Toast mit Vorarlberger Bergkäse ist kaum zu überriechen. Nach dem Film-Screening kann man noch einen romantischen Blick auf die by night wunderschön beleuchtete Karlskirche erhaschen und sich mit seiner Begleitung oder auch einfach mit seinen eigenen Gedanken bei einem Gläschen über das Gesehene austauschen, zum Beispiel im Schikaneder oder im Club U. Und mal ganz ehrlich: Was gibt es für eine bessere Beschäftigung an einem verregneten Herbsttag in Wien, als ins Kino zu gehen?
Der schönste Moment im Kino ist, wenn das Licht ausgeht und man nur noch das Rascheln der Griffe in die Popkorntüten hört, hie und da ein Husten und dann… wird die Leinwand hell… Ein schwarzer Hintergrund, davor sitzt Marko Feingold – der älteste Holocaust-Überlebende Österreichs – und erzählt und erzählt und erzählt: Von seinen Kindertagen, die er in der Wiener Leopoldstadt verbrachte. Von seiner Jugendzeit, in der er gerne mit diversen Damen in der Tanzschule Tango tanzte und von dem Business, das er später mit seinem Bruder in Italien gründete. Mit dem Bruder, den er zum letzten Mal im KZ sah. Marko Feingold hat überlebt. Sein Bruder hat es leider nicht geschafft. Warum? Nur, weil er Jude war.
Unermüdlich, authentisch und packend schildert Marko Feingold Momente aus seinem Leben: Wie es war, am 15. März 1938 als Jude mitten in der jubelnden Menge zu stehen, die den Anschluss Österreichs an Deutschland feierte. Wie erschreckend es ist, nach einem Jahr im KZ sein Gesicht das erste Mal im Spiegel zu sehen und sich nicht wiederzuerkennen. Wie man es schafft, mit einem halben Laib Brot heimlich durch das KZ zu kriechen, um seinem Bruder ein Stück zu bringen.
Dabei ist Marko Feingold so echt, so nahbar und so direkt. Wie als würde man neben Großvater Marko im Wohnzimmer sitzen und ihm zuhören. Seine Präsenz und sein Charisma sind unbeschreiblich – und das mit über 100 Jahren!
Niemals wieder!
Beim Zuhören wechseln sich Kopfschütteln und Seufzen ab. Denn es ist unfassbar, was Marko Feingold erlebt hat. Noch viel unfassbarerer ist, dass er bis zu seinem Tod im Jahr 2019 antisemitische Hassnachrichten bekam, in denen er beschimpft oder bedroht wurde, in denen ihm der Tod gewünscht wurde und in denen, das, was ihm und anderen Jüdinnen und Juden angetan wurde, geleugnet wurde. Deshalb hat sich Marko Feingold zum Ziel gemacht, so vielen Menschen wie möglich davon zu berichten.
Doch jetzt will ich gar nicht weiter über Marko Feingold und sein Leben schreiben. Am besten, er erzählt es euch selbst. Und hoffentlich wird er auch noch vielen anderen Menschen und Generationen über Kinoleinwände und Computerbildschirme seine Geschichte erzählen. Damit sie nicht vergessen wird. Damit niemand jemals wieder das erleben muss, was Marko Feingold und Millionen Jüdinnen und Juden erleben mussten.
danke vielmals fürs Teilen
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