
Der vor gut einem Jahr erschienene Debüt-Roman „Dicht: Aufzeichnungen einer Tagediebin“ ist mehr ein überdimensionaler Blogeintrag als eine klassische Romangeschichte. Er ist wienerisch, unglaublich und bringt zum Lachen und Weinen. Perfekt für Fans vom hingerotzten Wien und Alltagsgeschichten.
Stefanie Sargnagel, bekannt durch ihre Statusmeldungen, die durchs Internet spuken, hat sich diesen Stil für ihren ersten Roman bewahrt. Das autobiographische Buch gleicht einem rückblickenden Tagebuch ihrer Jugend. Stefanie ist die abgeklärte, aber auch naive Ich-Erzählerin, die die/den Leser:in zunächst in ihre Schulzeit mitnimmt. Im 18. Bezirk in einem Gymnasium fühlt sie sich von der Lehrerschaft und den meisten Mitschüler:innen nicht verstanden. Ihre Motivation schwindet, ihr Interesse an Menschen außerhalb der Schule und Gras steigt. Gemeinsam mit Sarah, einer Mitschülerin (die einzige, die auch gegen das System allgemein ist, sei es das Bildungssystem oder der Kapitalismus) trifft sie im Türkenschanzpark oder auf der Votivwiese die verschiedensten Menschen, bei denen man nicht für möglich hält, dass sie existieren. Es geht um Beislbesuche, Klassenfahrten und Schulabbrecher:innen. Es ist ein Werk, bei dem die/der Leser:in, auch wenn es sehr einfach geschrieben ist, mitfühlen kann und wird. Es ist ehrlich und authentisch und vor allem wunderschön.
Roter Faden Michi
Recht schnell lernt die Leserschaft den Michi kennen. Der Michi, der im Gemeindebau wohnt und auch Aids-Michi genannt wird. Warum, kann man sich denken. Es scheint, dass Stefanie von diesem 40-jährigen Herrn, der das ganze Jahr einen Ingwertee auf der heißen Heizung stehen hat, sehr beeindruckt war. Sie hat viel von ihm gelernt – über und für das Leben. Für ihn war, auf gut deutsch, eh schon alles wurscht. Michis Wohnung im Gemeindebau war Treffpunkt verschiedenster Gestalten. Alle haben ihn gekannt, die Polizei bis zu den Spar-Verkäuferinnen, die weggeschaut haben, wenn der Michi was mitgehen hat lassen.
Fokus Drogen
Drogen und Rauschmittel sind ein essenzieller Teil der Geschichte und in ihrem Leben. Angefangen mit Gras in verschiedenen Grünanlagen Wiens, bis hin zu Experimenten mit chemischen Drogen. Nach der 3. Dramatischen Drogengeschichte, in der einer fast stirbt oder sie und diverse Freunde fast erwischt werden, ist es für den Leser*in kein Schock mehr. Es ist Alltag, wie bei Stefanie damals auch. Für meinen Geschmack war es jedoch etwas too much.

Fazit
Stefanie Sargnagel hat mit diesem Buch einen teils schönen, teils grauslichen Einblick in ihre Jugend gegeben. Unterschwellig kritisiert sie scheinbar nebenbei das System, in dem wir leben, nur hat sie es schon abgelehnt, als dies noch nicht cool war. Ein großartiges Buch, das noch länger nachwirkt, Lust auf einen Beisl-Besucht macht und den Wunsch weckt, ein bisschen mehr wie der Aids-Michi zu sein.